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St. Moritz, the war has begun...

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The war has begun

St. Moritz, im Winter 1991.

Ich  wohnte im Ferienhaus von Eliah's Eltern, dessen Bücherregale  ungelesenen Klassikern Halt und Schönheit boten. Glänzende Buchrücken,  wenig Absichten diese zu brechen, denn  die hervorragende Aussicht auf  die Eisbahn, auf der wir mit den schönsten Mädchen unserer Universität  und schmerzenden Füssen unsere Runden drehten, wies uns den Weg.

Zu  Fangspielen, wie wir diese in der Primar- und Sekundarschule an  Mittwochnachmittagen auf der Luzerner Eisbahn unerschrocken betrieben,  kam es nicht.

Die  Angelegenheit eine passende Partnerin für's Leben zu finden war ernster  geworden. Denn das sollte sie doch sein, passend, passend zur eigenen  Karriere oder dem gegenseitigen Familienhintergrund, denn sonst wäre die  Beziehung ohnehin im Voraus zum Scheitern verurteilt. So die allgemein  gültige Auffassung eines perfect match.

Mir  gefiel Deborah, deren eingefrorenes Gesicht auch im Sommer nicht  auftaute, körperlich. Doch langweilten mich ihre Gesprächsthemen ins  Abgründige. Stets kehrte ich voller Verlangen nach Hause zurück.  Gleichzeitig graute mir vor dem Gedanken ein gemeinsames Kind zu haben  und lebenslänglich ihrer Langeweile ausgesetzt zu sein.

Glücklicherweise  war ihre Freundin, Almendra, melancholisch, scheu und im Gegensatz zu  ihrem voluptuösen Körper, kindlich. Kindlich in ihrer Art und Weise  Männer, oder besser, Jungs, anzuschauen, lebhaft kichernd, errötend wegblickend.

Sie  errötete oft, was in einem starken Gegensatz zu meinen ersten  Erwartungen ihr gegenüber stand. Ich inspizierte ihr rechtseitiges  Profil während einer Technologievorlesung und versuchte es mit dem  meinen in Einklang zu bringen.

Sie  wirkte stolz, aufrecht, konzentriert, sass einer Gottesanbeterin gleich  auf der vordersten harten Holzklappbank, den Ausführungen des  hypnotisierenden Professors folgend. Ihre Nasenspitze war eher dünn und  stets himmelwärts gerichtet. Ihre Erscheinung war das, was wir anfangs  der 90erals vornehm, edel, klassisch bezeichneten, eine dezentere Form  des heutigen label victims. Alles schien damenhaft gross an ihr. Jede  Wölbung, ihr Pulsschlag, ihre vollen Lippen, jede Regung ihres  wunderbaren Körpers stellte sich mir als weibliche Verwandte meines  Körpers persönlich vor. Jeder Finger, die Mundwinkel, ihre vulkanische  vollen Brüste, alles an ihr hatte eine Persönlichkeit, war ein  Individuum, das sich mit mir bekanntmachen sollte.

Doch  ich war überfordert, fühlte mich klein, zu leicht, zu dünn, zu wenig  stark gegenüber so viel stolzer Weiblichkeit. Und wer weiss, womöglich  schaffe ich trotz meiner Genialität die Prüfungen nicht und werde als  unbedeutender Lohnempfänger mich nach einer solch' schönen souveränen  Frau ewig sehnen müssen.

Meine  Blicke prallten an ihrer Silouette ab. Jede Zelle ihrers Körpers neigte  sich ungeachtet des vollen Hörsaals mir zu, stellte sich mir höflich  vor. Innerlich war ich schon mit ihr verheiratet. Ich setzte genau ab  diesen Moment mein Fristen nicht mehr einsam sondern gemeinsam fort. Bis  an ein ungewisses Lebensende mit ihr und gemeinsamen mit Kindern. Ich  bekam Angst davor und fragte mich, wo ich denn einst sein werde, nachdem  mich meine Gottesanbeterin aufgefressen hätte.

 

St.  Moritz war im Januar 1991 aussergewöhnlich kalt und trocken. Es war das  erste Mal, dass ich eine solch trockene Kälte die den Schnee bei jedem  Schritt wie Glas laut klirren lässt empfand.

Eine  zahlreiche Genfer und Luzerner Studentenclique, der ich angehörte, traf  sich zum Skilaufen und ich war bei Eliah eingeladen. Ich weiss nicht  mehr, wie es kam, dass Deborah und Almendra ebenfalls dort waren. Kam  ich auf ihre Einladung nach St. Moritz oder war ich zufällig auch da.  Ich glaube irgendwie machte St. Moritz die Runde und so landeten  mindestens dreissig schöne, laute, sportliche Trinkfeste tagsüber im  Schnee und abends in der Bar und der Diskothek.

Die  Genfer Clique mietete eine Wohnung, in der auch Almendra und Deborah  anzutreffen waren. Arnald muss ungemein in Almendra verliebt gewesen  sein, schon seit den Zeiten, als er wie Almendra in Genf gewohnt haben  musste. Davon wusste ich nichts, ich nahm nur an, dass er mir mit seinem  französischem Charm und seinen freundlich blinkenden Augen Almendra um  Meilen nähre sein musste. Ob sie sich je ausserhalb der französichen  Bise berührte, wusste ich nicht. Er wirkte wie ein aristokratischer Sohn  reicher Eltern, gepflegt und derselben dezenten 90er Jahre label victim  Krankheit anheim gefallen. Seine Eltern seien reiche Libanesen, liess  ich mir sagen. In St. Gallen wohnte er mit einem anderen ebenfalls sehr  sympatischen Libanesen in einer modernen Luxuswohnung.

Almendra fuhr Ski, ich Snowboard. Wir kamen von der Piste ab, wollten zu zweit alleine sein.


Beim  abendlichen Fondue spielte Arnald unaufhaltsam darauf an, wie gut  Almendra und ich zusammenpassten. Ich konnte seine Anspielungen nicht  interpretieren zumal Almendra sehr verlegen wurde und dies nicht zu  dementieren wusste, sie fühlte sich eher beschämt über Arnalds  Verhalten, das im Nachhinein als Indiskretion bezeichnet werden musste.  Es war sein Weg mit seiner Enttäuschung, seinem Liebesschmerz umzugehen.  Almendra muss ihm gesagt haben, dass ich ihr gefalle.
Beim  anschliessenden Tanzen sah ich wie Almendra's Knie erratisch einknickten  und ihren Körper in den arythmischsten Synkopentanz versetzten, den ich  je beobachtete. Sie konnte nicht tanzen. Sie tat dies aber so charmant,  dass ich von diesem Zeitpunkt an ihr nie mehr richtig widerstehen  konnte. "Sie ist nicht perfekt" jubelte ich innerlich.


In der Genfer Wohnung fing anschliessend ein Krieg an, der bis heute anhält.

 

Von dumpfen Galeernetrommelschlägen und Panzern im Sonnenuntergang begleitet hörte ich folgende Worte:

 

"The war has begun!"

 

Von  diesen frühen Morgenstunden an spürte ich ein Schaudern, das bis heute  anhält, ohne zu wissen ob es aus Freude oder Trauer ist.

 

Tagtäglich  fuhren wir tagsüber Ski, tranken und tanzten nachts, kehrten früh  morgens in unsere Wohnungen zurück und "zogen uns noch ein wenig Krieg  rein". Einen Krieg, der aussah wie eine Fortsetzung von "Top Gun",  100'000 Menschen das Leben kostete und uns einen tränenverdrückenden  Heldengeneral namens Schwarzkopf bescherte, der seither allen passablen  Managementausbildung zitiert wird.


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